Anna Grusková

Die Idylle als Frage der Perspektive (Arthur Schnitzler: Reigen)

S. 101–106 (tschechisch), Resumé S. 106 (deutsch)
Anna Gruskovä beschäftigt sich in ihrem Beitrag mit dem Widerspruch zwischen der proklamierten äußeren Idyllik und der Theatralik des Lebensstils um die Jahrhundertwende in der österreichisch-ungarischen Metropole. Das abgewandte Gesicht der Gesellschaft vermittelt sie durch Arthur Schnitzlers berühmten unter dem Titel Reigen bekannten Zyklus von zehn Einaktern (1896-97). „In einen geschlossenen Kreis geraten hier alle gesellschaftliche Schichten: von der Prostituirten bis zum Grafen, von den jüngsten bis zu den ältesten. Der Verfall der Gesellschaft, die Auflockerung der moralischen Normen reiht den Grafen neben die Prostituirte. Der Dialog, den sie miteinander führen, noch in der Sprache der zugehörigen gesellschaftlichen Gruppe, ist eigentlich ein tschechovscher monologischer Dialog, es kommt zu keiner Übergabe von Bedeutungskontexten," so charakterisiert die Autorin den dramatischen Text. Bei der Suche nach dem Phänonem des Idyllischen geht sie von Schnitzlers Spezifiken aus. „Eines der häufigsten Kompositionsmerkmale von Schnitzlers Dramen bildet die Konfrontation der Theorie mit der Praxis, ihre Beglaubigung, Korrigierung, eventuell Widerlegung. Man könnte auch sagen, daß Schnitzler in seinem Schaffen Methoden der Beobachtung und des Experimentes auf wissenschaftlichem Niveau benutzt," behauptet Anna Grusková in ihrem Beitrag und setzt fort: „Schnitzler konfrontiert z.B. in seinen frühen Stücken Liebelei und Freiwild die Illusion mit der Realität, im Grünen Kakadu untersucht er die Durchdringlichkeit der Grenzen des Theaters und Theatra mundi, in dem Einakter Die Gefährtin zeigt er die Desillusion der Desillusion, im Drama Professor Bernhardi überprüft er wieder die allgemein verbreitete Illusion von der Beziehung der katholischen Kirche zur Gesellschaft. Eine Besonderheit des analysierten dramatischen Textes bildet das scheinbare Fehlen einer Polarität. Erst aus der Perspektive des zeitlichen und räumlichen Abstandes wird klar, daß die Polarität des Reigens die gesamtgesellschaftliche Illusion von Liebe bildet, eine fotografische Idylle des von engelhaften Kinderchen umgebenen Franz Josef: eine Idylle, die mit solcher Liebe Stefan Zweig in seiner Autobiographie Die Welt von Gestern schilderte. Am Schluß ihres Beitrages charakterisiert die Autorin kurz die heutige Inszenierungstradition des Reigens in Böhmen und in der Slowakei.
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