Dagmar Mocná

Der Frosch auf der Quelle. Zum Bild Des Hausherrn in der tschechischen Literatur

59–66 (tschechisch), Resumé S. 67 (deutsch)
Der Beitrag analysiert die Gestalt des Hausherrn in der tschechischen Literatur des 19. und teilweise auch 20. Jahrhunderts. Er stellt fest, dass sie darin als einer der typischen Fälle von unbeliebter, angeprangerter und verhöhnter Gestalt figuriert. Die Domäne von diesem Typus war die komische Literatur, insbesondere dann deren satirisch- sittenschildernde Variante. Die typischen Eigenschaften eines Hausherrn waren darin Überheblichkeit, Geiz und Selbstsucht. Der Modelfall dieser Auffassung ist die Matěj Brouček- Gestalt aus den phantastischen Reisebeschreibungen von Svatopluk Čech, wo zu den erwähnten konstanten Hausherrnzügen noch nationale Lauheit und politischer Opportunismus treten. Wie die Feuilletons und Erzählungen von Jan Neruda zeigten, hatte diese konstante Auffassung des Hausherrn als einer negativen Figur tiefere Ursachen: sie war ein Begleitzug eines neuen Phänomens, nämlich des Wohnens zur Miete, das mit der Entwicklung der modernen städtischen Zivilisation einherging und das Anonymwerden der zwischenmenschlichen Beziehungen vertiefte. In der sich konstitutierenden tschechischen Gesellschaft kam dazu auch noch die Tatsache, dass der Besitz eines Mietshauses eine Form des Rentierdaseins war, was zu der patriotischen Ideologie, welche persönliches Engagement und fleissige Arbeit betonte, im Widerspruch stand. Die Gestalt des Hausherrn hatte allerdings auch ein erhebliches psychologisches Potenzial: sie ermöglichte die Entwicklung der Charakterzeichnung eines selbstsüchtigen Individuums, das in der Gesellschaft eine exklusive Stellung einnehmen möchte. Einen Anlauf zur Psychpathologie des Hausherrn finden wir bereits in Nerudas Erzählung Týden v tichém domě [Eine Woche im stillen Haus], und zwar in der tragikomischen Figur des Herrn Eber, der die fortwährende, seitens der Ehefrau sowie seiner Vorgesetzten erfahrene Erniedrigung durch eine dominante Position unter den Hausbewohnern kompensiert. Das angedeutete Verfahren wurde voll von Karel Poláček in seinem Roman Dům na předměstí [Ein Vorstadtshaus] entwickelt, wo die Zeichung des Hausherrn zu einer ins Ungeheuerliche abfärbenden Metapher eines „kleinen Menschen“, der die Frustration durch die eigene Bedeutungslosigkeit in der Mieterschikane abzureagieren sucht, gerät. Allgemein lässt sich feststellen, dass der Hausherr in der tschechischen Literatur als ein besonders unakzeptabler Unternehmertypus und als eine zur Sichtbarmachung der mit dem Eigentum verbundenen negativen Züge besonders geeignete Figur auftritt.
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