Tomáš Winter
„Scheußliche Menschenfratzen grinsten da...“ Zur Charakterisierung außereuropäischer Kulturen in tschechischen Reisebeschreibungen des 19. Jahrhunderts
54–65 (tschechisch), Resumé S. 66 (deutsch)
Der Reisebericht ist ein literarisches Genre für sich. Einerseits schöpft er aus den authentischen Erlebnissen der Schreiber auf ihren Reisen, andererseits verwendet er die zeitgemäßen literarischen Topoi und Denkfiguren. Der Beitrag beschäftigt sich mit der Rhetorik von Reisebeschreibungen im 19. Jahrhundert und wie außereuropäische Kulturen charakterisiert werden. Anhand von Textbeispielen von Emil Holub und anderen Reisenden wird gezeigt, wie tschechische Berichte aus exotischen Gebieten am Zivilisations- und Kolonialdiskurs teilhatten. Genauer geht er auf die Frage ein, wie sich das Primitivismus-Konzept und die mit ihm verbundenen zeitgenössischen Stereotype von der Unterentwickeltheit der „primitiven“ Nationen, ihr instinktgeleitetes Handeln und ihre Irrationalität darin niederschlagen. Er geht auch auf die Assoziation bestimmter Eingeborener mit Kannibalen ein und rekonstruiert gleichzeitig die Modi der Rezeption ihrer Kunstwerke durch die damaligen Europäer, die sie vor dem Hintergrund bestimmter ästhetischer Kriterien betrachteten. Schließlich wird kurz anhand des Beispiels Josef Čapek angedeutet, wie sich der anhand der Reisebeschreibung beschriebene Diskurs in den modernistischen Primitivismus-Theorien der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts niederschlug.
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