Vít Vlnas
Das Alter als Mehrwert? Das Greisenalter patriotischer tschechischer Künstler
240–249 (tschechisch), Resumé S. 249–250 (deutsch)
Die Studie ist der Frage der Reflexion der Persönlichkeiten der gealterten bildenden Künstler in der tschechischen kulturellen Gesellschaft im 19. und am Beginn des 20. Jahrhunderts gewidmet. Auch im tschechischen Milieu hat lange der Stereotyp des jungen Genius eine wichtige Rolle gespielt, von dem gegoltenhat: „Wen die Götter lieben, der stirbt jung.“Zur Genesis dieser Anschauung hat vor allem Hegels Definition des genialen Schöpfers als eines idealen Wesens beigetragen, eines Wesens, das von den „Manieren“ der vorangegangenen Epochen nicht belastet werde, sondern das Ideal der künstlerischen Wahrheit vorwärts trage und dem die Formeln des Stils sich unterordnen würden. In der Geschichtsschreibung der tschechischen bildenden Kunst ist dieser Kult des jungen (und in jungen Jahren gestorbenen) Künstlers nur mit Verspätung aufgekommen. Darüber hinaus hat er die Tatsache ignoriert, dass die jungen Genies in den romantischen Konzepten der Kunstgeschichte in der Regel Hand in Hand mit den weisen Greisen gegangen sind – mit den Lehrern, Ironikern, Skeptikern, und vor allem mit den Bewahrern einer höheren Ordnung. Die tschechische Kunst des 19. Jahrhunderts hat nur einige wenige Künstlerhervorgebracht, bei denen ihre zeitgenössischen Interpreten das physische Alter als einen Wert an sich verstanden haben. Dies waren Antonín Lhota (1812–1905), Karel Jav?rek (1815–1909) und in einigem Zeitabstand auch Josef Václav Myslbek (1848–1922). Mit einer gewissen Reserve gehört zu diesen auch Josef Führich (1800–1876), der in der Zeit seines Todes als „greiser Jüngling“ apostrophiert worden ist. Lhota, dessen eigener schöpferischer Beitrag nicht allzu groß war, hat sich dem kulturellen Bewusstsein vor allem als Lehrer von ganzen Maler-Generationen eingeprägt. „Das lebendige Petrefactum“ hat in seinem Alter eher zu den Prager kulturellen Kuriositätenals zu den das aktuelle Geschehen in der bildenden Kunst beeinflussenden Persönlichkeiten gehört. Im Gegensatz dazu hat Myslbek neben seiner unermüdlichen schöpferischen Aktivität bis zuletzt den Kontakt mit der künstlerischen Entwicklung aufrechterhalten. Nicht nur ideell, sondern auch physisch wurde er mit Bewunderung als Analogie zum alten Michelangelo angesehen. Das physische Alter des Künstlers konnte sich in den Augen der Interpreten schließlich auch selbst zu einem Wert verwandeln, der die Bedeutung des Werkes erhöhe und die irdische Mission eines Genies vor dem Urteil der Nachwelt rechtfertige. Dieser Stereotyp erscheint zufälligerweise in jenem Moment, als die Reaktionen auf die Avantgarde-Bewegung wieder den Wert des Alters als eines Behüters der Ordnung und Kontinuität hervorheben, und wohl auch als Quelle der wirklich bedeutenden, tiefen und ganze Epochen beeinflussenden Wandlungen der künstlerischen Stile.
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