Radim Vondráček
Die Phantasmagorie: eine vergessene Quelle der Imagination
311–323 (tschechisch), Resumé S. 323–324 (deutsch)
Der Ausdruck „Phantasmagorie“ tauchte in den westeuropäischen Sprachen gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf. Als Bezeichnung für einen spezifischen Typ optisch-mechanischer Unterhaltungen wurde er wahrscheinlich zum ersten Male von dem unter dem Pseudonym Philidor auftretenden Illusionisten Paul de Philipsthal verwendet. Dieser Magier gastierte in einer Reihe von europäischen Städten, ab 1786 in Groningen, Sankt Petersburg, Berlin, Leipzig, kurzfristig auch in Prag (im August 1789), dann trat er in Wien (1790-1792) und nachfolgend in Paris auf, wo er, angefangen mit Dezember 1792, eine Vorstellung mit dem Titel La Phantasmagorie, in dem „Geistererscheinungen und Schatten berühmter Persönlichkeiten“ beschworen werden sollten , gab. Philidor wurde später von einem anderen, berühmteren Kollegen – dem belgischen Erfinder und Physiker Étienne-Gaspard Robert (1763-1837), der ähnliche Produktionen seit 1798 im Paris veranstaltete, überschattet. Ebenso wie bei Philidor handelte es sich auch bei ihm um eine Projektion von Schreckensbildern mittels Zauberlaterne. Im Unterschied zu den gängigen Laternenvorführungen kamen hier einige Neuigkeiten zur Geltung. Der an einem fahrbaren Gestell angebrachte Projektor ermöglichte eine illusive Bewegung, sowie die Wandlungen der vorgeführten Phantome. Die Gestalten von Geistern, Teufeln und anderen Gespenstern wurden auf eine feine, in der Dunkelheit vor den Zuschauern aufgehängte Batistleinwand projiziert, und so erschienen die Phantasmen unerwartet in der Luft und näherten sich dem erschrockenen Publikum.
Robert alias Professor Robertson führte seine phantasmagorische Show auch in Prag, im Saal des Kleinseitner Badhotels (hotel Lázně) vor, und zwar im Dezember 1810 und dann von Oktober bis Dezember 1812 . In den darauffolgenden Jahren traten in Prag der Puppenspieler Franz Lorgie aus Dresden (1814), der „Mechanikus“ Anton Hirschberg aus Glatz (1821), der Besitzer eines mechanischen Kabinetts Franz Kopelent, Sebastian Schwannenfeld aus Wien, in den dreissiger Jahren dann Jan Weiss oder J.C. Tschugmall, mit Phantasmagorien auf. Im Vergleich mit Paris oder London überwog in Prag eine eher humorvolle Stimmung dieser Produktionen, die gewöhnlich nur eine Ergänzung des Hauptprogramms, das meistens in einer Vorführung physikalischer Zaubereien und mechanischer Automaten bestand, ausmachten. Sie waren oft mir anderen optischen Effekten von der Art „kosmischer Metamorphosen“oder „kaleidoskopischer Verwandlungen“ , deren Hauptprinzip der Bildwechsel mittels allmählicher Überdeckung oder schneller Folge von Wahrnehmungen war, gekoppelt.
Die Projektion von Phantasmen hatte seit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert einen merklichen Einfluss auf die dichterische Imagination (E. T. A. Hoffmann. J. W. Goethe), sowie auf das Schaffen bildender Künstler (W. Blake, H. Füssli, F. de Goya). Eine ähnliche Durchdringung verschiedener Sphären der visuellen Kultur lässt sich auch in der tschechischen Kunst verfolgen. Auf die zeitgenössische Beliebtheit der optisch-mechanischen Bilder verweist beispielweise die lithographische Serie Phantasmagorien und englische Sachenbilder (um 1831, der Verfasser war wahrscheinlich Antonín Gareis d.Ä.), welche sowohl die Ästhetik des Gotischen, als auch den „phantasmagorisch“ törichten Bürgeralltag parodiert.
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