Vítězslav Štajnochr
Begräbnisgefäße – der Tod und das Leben post mortem in der mythischen Wirklichkeit des Beerdigungsgefäßes
334–346 (tschechisch), Resumé S. 347 (deutsch)
Der Eschatologie einer Reihe von Mythen zufolge muß der Verstorbene seinen Tod durch totalen Untergang vollenden. Erst nach dem vollkommenen Untergang kann er aufs neue empfangen werden und zum neuen Leben post mortem geboren sein. Untergeht er nicht, wird er zum dämonischen Wesen, z. B. zum revenant. Die Urne stellt die Gebärmutter dar, in die der Tote zurückkehrt (*regressus ad uterum*), in der er gänzlich untergeht und aufs neue erzeugt wird, aus der er wieder zum Dasein im neuen Modus geboren sein wird. In der Urne kann die vollständig eingeäscherte Leiche oder nur deren Teil als *pars pro toto* (z. B. das Herz), beziehungsweise ein nicht aus dem Körper des Verstorbenen stammender Keim (z. B. Korn, Ei) verwahrt werden. Die faktisch leere Urne kann jedoch auch die Seele des Toten enthalten. Das Grab ist der mythische Nabel, Bauch, in dem der Uterus der mythischen Mutter beruht. Im Bauch dieser Mutter verwirklicht sich das Mysterium des totalen Untergangs des Verstorbenen und die neue Empfängnis und Geburt zum Leben im neuen Modus. *Omphalos* ist auch die mythische Mitte, Achse der Welt (*axis rnundi*). Initiationsgefäße, keramische, Metall- und Glasschüssel (-becher) sind in der Neuzeit in einer Reihe von signifikanten Initiationsfunktionen (einschließlich deren aufs Begräbnis bezogenen) erhalten geblieben. Der Initiationsbecher wurde für das geheiligte Elixier, Nektar - spezifisches Initiationsgetränk - bestimmt. Die Initiationsschüssel wurde für die geheiligte Manna, Ambrosia - spezifische Initiationsspeise - bestimmt. Initiationsrituale vom Typus *agapé*-Festmahl werden von der rituellen Kommunion – dem Empfang des Abendmahls – begleitet. Das Ritual ist auch Reaktualisierung des Zustands der grenzenlosen paradiesischen Seligkeit. Initiationsgetränke und -speisen verhelfen der Transgression des Verstorbenen zum Untergang und zur Wiedergeburt.
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