Jiří Štaif
Mentalität und Ausland: Die angelsächsische Welt vor 1914 aus der tschechischen Perspektive
160-185, resumé s. 184-185
Diese Studie rekonstruiert die Art und Weise, auf die in den Jahren 1848-1912 Großbritannien und die USA von tschechischen Reisenden betrachtet wur¬den. Analysiert werden hier Beiträge von insgesamt 16 Reisenden, von denen man einige der tschechischen, bzw. tschechoslowakischen politischen (F. L. Rieger, Gustav Habrman, F. Soukup), künstlerischen (J. V. Slädek, A. Dvorak) und Bildungselite (Jan Krejcf, Antonin Fric) zuordnen könnte; andere sind als bedeutende öffentliche Persönlichkeiten (Vojta Näprstek, Jifi Guth-Jarkovsky) anzusehen. Das Problem der tschechischen nationalen Mentalität maß sich an¬hand ihrer Erfahrung mit der angelsächsischen (englischen und amerikani¬schen) Welt in den Fällen, als ihnen eine als gegensätzlich zu der anderen er¬schien. Angesichts der tschechischen Mentalität ging es in der angelsächsischen Welt vor allem um das ungewöhnlich hohe Mass an individueller - innerer wie auch äußerer - Freiheit, die sie insbesonder in der vergleichsmässig geringen reglementierenden Rolle der Institutionen und in sehr liberalen Erziehung, son¬dern auch im Grad der Partnerschaft zwischen Mann und Frau sowohl in der Familie als auch in der Öffentlichkeit. Den nächsten Kontrast bildete die neue Erfahrung der Tschechen mit der großstädtischen Zivilisation und mit dem dort sehr entwickelten Kapitalismus, der weder räumliche, noch technische Gren¬zen zu haben schien. Meistens wurde in dieser Erfahrung eine Möglichkeit ge¬sehen, die tschechischen Verhältnisse mit neu gewonnener Distanz betrachten m können. Im Bereich der praktizierten Werte war der tschechische Blick auf die amerikanische Gesellschaft durchaus ambivalent. Als störend wurde vor allem die Kommerzialisierung der Kultur, der Unterhaltung und Journalistik empfunden. In solchen Fällen stütze man die Bewertung auf eine konservati¬ve, ideal-typische Konstruktion dessen, was für wertvoll und gesellschaftlich erwünscht zu halten sei. Der Blick nach England ergab hinsichtlich dieser Kom¬ponente der gesellschaftlichen Wirklichkeit keine axiologischen Konflikte. In
einigen Fällen hielt man die angelsächsischen Normen beiderlei Provenienz für zivilisatorisch höhere, beispielsweise hinsichtlich der Sauberkeit- und Hygiene¬ansprüche. Wiederum in anderen Fällen wurden insbesondere einige amerika¬nische Normen als Eindruck der religiösen Heuchlerei heftig zurückgewiesen; dies betraf vor allem das Alkoholverbot (Bier). In den USA wurden die Tsche¬chen durch das hohe Niveau der dortigen Zivilisation positiv überrascht, sie konnten sich jedoch sehr schwer mit sozialen und kulturellen Uneinstimmig-keiten abfinden, die dort schwerwiegender waren, als es zu Hause der Fall war.
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