Pavel Janoušek
Der Letzte und der Erste Böhme: Havlíčeks Polemik mit Tyl als Beispiel einer literaturkritischen Kommunikation
285-297, resumé s. 296-297
Die vorliegende Studie hefasst sich mit der meistreflektierten Polemik des tschechischen literarischen Lebens im 19. Jahrhundert: mit Havlíčeks Kritik an Tyls Posiední Čech (Der letzte Böhme, 1845) und mit der anschließenden Diskussion zwischen den beiden bedeutenden Schriftstellern, bzw. Kritikern. In der Literaturgeschichte und deren Erläuterungen wird diese Polemik für einen signifikanten Wendepunkt gehalten: für einen Beleg der Wende von der romantischen und sentimentalen Idealisierung zur realistischeren, auf Stereotype und Klischees verzichtenden Poetik oder für einen Nachweis des Übergangs vom proklamativen und defensiven Patriotismus zum aktiven Patriotismus, der nicht mehr an der verbal-transparenten Bekenntnis zur Nation, sondern am kritischen Verstand und persönlicher Moral gemessen wurde. Der Verfasser lenkt sein Augenmerk eher auf die reale Dimension der Polemik: er interessiert sich nicht für den Konflikt zwischen zwei Konzeptionen, sondern für den Konflikt zwischen zwei Personen, die sich in einer gewissen persönlichen Situation befanden und gewisse Wünsche, Ziele und Pläne hatten. Wichtig ist in dieser Hinsicht die Art der Kommunikation - insbesondere in Bezug auf Argumente und Taktik - zwischen den beiden Gegnern und seinen Nächsten und v. a. mit der patriotischen Gesellschaft, die der eigentliche Adressat und Schiedsrichter der Polemik war. Unter diesem Blickwinkel wird die Polemik ais fast ein Lehrbuchsbeispiel verschiedener Üteraturkritischer und Kommunikationsstrategien interpretiert. Es werden sowohl die Genese Havlfceks kritischer Äußerung, als auch die Art und Weise, auf die dieser Angriff auf Tyls Prosa stilisiert wurde, als auch die Mystifikationstechniken beider Gegner und die Reaktion der tschechischen Gesellschaft erörtert. Ein wichtiger Teil des ganzen Bildes sind Zitate aus Hav-ifceks Briefwechsel (insbesondere mit seiner Verlobten Fany Weidenhoffer), denn durch sie kommt die menschliche Komponente der Auseinandersetzung zum Vorschein. Durch diese Auseinandersetzung geriet der junge, damals noch unbekannte Karel Havlíček im Laufe eines halben Jahres ins Rampenlicht des tschechischen kulturellen und politischen Lebens, während J. K. Tyl dadurch in den Hintergrund geriet und für einige Zeit Prag verließ.
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