Letizia Kostner

Der Leser sucht seinen Autor (und umgekehrt): Die Kommunikationsprobleme in der tschechischen Literatur der frühen Erneuerung

247-254, resumé s. 253-254
Das Problem der Kommunikation in der tschechischen Literatur der Erneue¬rung iässt sich als ein inneres Problem wahrnehmen. Deutlich ist nämiich die gegenseitige Isoliertheit beider Teilnehmer der iiterarischen Kommunikation in der tschechischen Sprache, und zwar des Autors und des Lesers. Der potentiel¬le Autor der auf tschechisch verfassten Werke beherrschte nämlich besser die deutsche als die tschechische Sprache und der potentteile Leser zwar sprach und verstand tschechisch, aber sein kulturelles Niveau war wesentlich niedri¬ger als das seines Gegenübers, indem sich die Jungmann-Generation literarisch durchsetzte, wurde das Problem der Produktion tschechisch geschriebener Texte zumindest zum Teil gelöst, und zwar durch den Wiliensakt der patriotisch orientierten Autoren, die sich das Tschechische zu ihrer Literatursprache wählten, sein Niveau und seine Konkurrenzfähigkeit zu verbessern suchten. Das Problem der Rezeption bleibt jedoch immerhin offen. Gerade durch das Expe¬rimentieren der Jungmann-Generation entfernte sich die literarische Sprache der gesprochenen und wurde für einen einfachen Leser beinahe unverständlich. Auch thematisch war diese Produktion für den Leser zu anspruchsvoll. Am Anfang der 20er Jahre kannte die tschechische Literatur zwei Absatzebenen, zwischen denen jedoch eine Kluft klaffte; einerseits geht es um die zu konstruierte und auf Bildung und Bereicherung ihrer eigenen Kodes konzentrierte Literatur, andererseits handelt es sich um die an veralteten Modellen orientierte Produktion, die durch das niedrige Kulturniveau des Lesers bedingt ist. Der erste Typus der Literatur hatte kein Publikum, der andere keine Zukunft als Literatur europäischer Maßstäbe. Die zwei oben erwähnten Ebenen der Literatur der tschechischen Erneuerung verliefen parallel, aber nicht so gleichgültig gegeneinander, wie allgemein angenommen wird. Die Beziehungen zwischen den beiden Ebenen waren zahlreich und auch die Ziele könnten für parallel gehalten werden: einerseits sollte ein stabiler Kode geschaffen, andererseits sollte der Kontakt mit dem Publikum aufrechterhalten werden. Die Kor-matisierung der literarischen Kommunikation in der tschechischen Sprache bedurfte einer dritten, der mittleren Ebene des literarischen Niveaus. Die tschechische Literaturwissenschaft schenkte noch nicht genügend Aufmerksamkeit den Beziehungen zwischen dem hohen, mittleren und niedrigen Niveau der literarischen Produktion der Erneuerungszeit. Das Ziel dieses Aufsatzes ist, eiien die Notwendigkeit der Untersuchung aller dieser Ebenen zu betonen, denn nur auf diese Art und Weise kann man sich komplexerer das Panorama der tschechischen Produktion vorstellen und die Funktion der in den beiden Literaturbereichen entstandenen Texte im Rahmen der literarischen Entwicklung bestimmen.
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