Marianna Koliová
Das Problem der Identität in den Reisebeschreibungen von Daniel Šustek
Im Kontext der Geschichte der slowakischen Literatur des 19. Jahrhunderts ist der Name Daniel Šustek ziemlich unbekannt, was auch damit zusammenhängt, dass dieser fast ausschließlich Reiseberichte verfasst hat (Die Reise eines Handwerkers nach Paris; Die Reise eines Handwerkers durch die Türkei und Ägypten ins Heilige Land; Von der Reise eines Handwerkers durch Asien; Von der Reise eines Handwerkers nach Amerika). Das Genre der Reiseberichte zeichnet sich im Allgemeinen durch eine gewisse Randlage und Grenzziehung zwischen dokumentarischer und künstlerischer Literatur aus, während zum literarischen Kanon meist Autoren gehören, die andere Literaturgattungen pflegten und gleichzeitig auch Reiseberichte schreiben konnten. Obwohl sich Šustek anderen literarischen Genres nicht gewidmet hat, sind seine prosaische Reisebeschreibungen eine sehr fesselnde Lektüre, auch für den heutigen Leser. Er war kein Repräsentant der Intelligenz, für die die schriftstellerische Tätigkeit charakteristisch war, sondern ein Handwerker, ein Zimmermann. Šusteks Reiseberichte sind ein interessantes Interpretationsobjekt aus der Sicht der Identitätsfrage. In seiner Prosa überschneiden sich der Reisebericht und die autobiographische Schreibweise, was dadurch bedingt ist, dass Šusteks Reiseerfahrungen langfristiger Natur waren (1864-1873). Es hängt immer von einer konkreten Reise bzw. Kommunikationssituation ab, ob sich Šustek in seinen Texten sozial/beruflich als Zimmermann, kulturell und religiös als Europäer und Christ, ethnisch als Slowake, bürgerlich als Staatsbürger Österreich-Ungarns, regional mit dem Gebiet des Oberen Ungarn oder Tirol verbunden oder nach seinem Familienstand als verheirateter Mann definiert. Dabei darf selbstverständlich nicht vergessen werden, dass er sowohl Reisender als auch Erzähler ist, was zwangsläufig mit einer gewissen Stilisierung des Autors und Identitätskonstruktion in seinem Erzählprozess verbunden ist, und gleichzeitig sich als bestimmtes, seiner Zeit innewohnendes kulturelles Muster reproduziert.
Schlüsselwörter: Daniel Šustek - Reisebeschreibung - Autobiographie - mehrschichtige Identität
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