Jan Pezda

Kult des Fleisches. Körperbildung, "Muskulinität" und Frištenský um 1900

S. 160–185 (tschechisch), Resümee S. 186–187 (deutsch)

In den böhmischen Ländern wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der schlanke, muskulöse Körper eines halbnackten Athleten ohne Fett zu einem vermeintlichen Indikator für Stärke, Gesundheit und Schönheit. Der Körper eines jeden „normalen“ Tschechen sollte durch die Sokol-Gymnastik zu den edlen Feinformen des mythischen Apollo modelliert werden. Um 1900 taucht jedoch ein neuer idealer Mann aus dem reichen Angebot der beliebten Freizeitbeschäftigungen der Stadt auf – der Kraftmensch, der die traditionelle, leicht muskulöse Maskulinität in „Muskulinität“ verwandelt, der die durch das Training in der Schwerathletik aufgebauten massiven Muskeln spielen lässt. Die exakt definierte Struktur seiner Muskeln wird bald durch den Einfluss der Massenmedien fetischisiert – erotisiert, photogenisiert, nationalisiert und „rassisiert“. Das materialisierte aufgegangene Ego des starken Mannes nimmt die mythische Form des übernatürlich starken und tapferen Herkules und des übermenschlich belastbaren und unermüdlichen Androiden an. Die wie griechische Statuen anmutenden Körper von Ringkämpfern oder die maschinisierten Körper von Gewichthebern, die von Schmerz und Angst befreit wurden, zeigen die Fähigkeit des Weißen Mannes, die zerstörerische Energie des technologischen und zivilisatorischen Fortschritts zu absorbieren und sie in eine „übermenschliche“ Leistung umzuwandeln. Die mächtigen Silhouetten dieser „Übermenschen“ senden gleichzeitig eine klare Botschaft an die fanatisierten Massen, an jeden einzelnen Sportzuschauer: Dein Körper ist unvollkommen, klein, schwach, krank, hässlich, – ändere dich, ermanne dich, zeige dich, kräftige dich und trainiere! Kraftmänner verschieben ständig die Grenzen zwischen Normalität und Abnormalität, sogar Monstrosität. Aus dieser Dynamik entspringt eine Mischung widersprüchlicher Gefühle, die uns bis heute beim Betrachten der nackten muskulösen Monumente, darüber hinaus eines eingeölten Bodybuilders erfüllen, wobei immer abwechselnd ein verachtender Widerstand von einem erhebenden Gefühl der Bewunderung überwältigt wird.

Schlüsselwörte: Maskulinität – Sokol – Gustav Frištenský – Bodybuilding – visueller Genuss

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