Marcela Oubrechtová
All my ideas are after England directed towards Italy. Die Reise des Franz Grafen von Thun und Hohenstein in sein erträumtes Italien
Franz Graf von Thun und Hohenstein (1809–1870) ist als tüchtiger Organisator des Prager kulturellen Lebens im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts bekannt. Er reformierte wesentlich den Kunstverein für Böhmen, hat sich an den Anfängen des Denkmalschutzes in Böhmen und an der Gründung des Vereins für die Fertigstellung des Veitsdomes beteiligt. Der Kunst widmete er sich auch aktiv, von seiner Kindheit an dilettierte er mit Erfolg als Zeichner. Die Autorin untersucht die Bedeutung der Reise Graf Thuns in die italienischen Städten, die er mit seinem englischen Freund Robert Noel im Jahre 1835 unternommen hat. Es war für ihn nicht einfach gewesen, diese Reise, die den Höhepunkt einer fast zweijährigen Reise der Familie Thun durch Westeuropa darstellte, durchzusetzen. Er wollte sie in eigener Regie absolvieren, ohne seine Geschwister und Eltern, um sich ausschließlich dem Studium der künstlerischen Denkwürdigkeiten widmen zu können, ohne gesellschaftliche Pflichten, die ihm nach zwei gemeinsam mit den Eltern verbrachten Jahren zuwider geworden waren. Der pragmatische Vater des Grafen war mit den Plänen seines Sohnes nicht einverstanden und die Reise als überflüssige Grille verstanden, die seinen Sohn von seinen neuen Pflichten, die ihn als Erstgeborenen zu Hause erwarteten, nur abhalten werde. Die Autorin widmet sich nicht nur dem Verlauf der Reise von Graf Thun in Italien allein, sondern konzentriert sich vor allem auf deren Vorgeschichte, d. h. auf die Motive Thuns und seine Argumente, auf seine Auseinandersetzungen und Verhandlungen mit dem Vater; sie analysiert auch den Einfluss der Persönlichkeiten, denen der Graf während seiner Reise begegnete. Obwohl sich Graf Thun seiner Grenzen bewusst war, hat er seine malerischen Ambitionen nie verleugnet. Was für seine malerischen Vorbilder der übliche Abschluss ihrer bildnerischen Ausbildung war – nämlich eine Studienreise nach Italien –, war für den jungen Grafen das erträumte Finale seiner ganzen europäischen grand tour. Er verstand sie als eine Studienreise, hat sich aber auch gerade damals zu seinem weiteren Lebensweg entschlossen, der jedoch nicht der Verwaltung der Familiengüter gelten sollte.
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